Darf’s ein wenig wissenschaftlicher sein? Heute wollen wir euch einen Artikel aus der Nature vorstellen — eine der bekanntesten (und für Veröffentlichungen begehrtesten) wissenschaftlichen Zeitschriften. Hier kommt nur rein, wer sich viel Mühe gegeben hat und das auch glaubhaft darstellen kann. Natürlich geht es um Insektenstiche, bzw. genauer um die Frage, warum manche Mücken bevorzugt Menschen stechen. Wieso das wichtig sein könnte? Naja, hat man verstanden was uns für Mücken so attraktiv macht, dann ergibt sich vielleicht auch eine Idee den Mückenappetit zu ändern. Wir könnten dann die chemische Keule im (Gift-)Schrank lassen und trotzdem einen Teil der etwa 400 Mio Dengue-Fieber Übertragungen pro Jahr verhindern.
Aber der Reihe nach. Wie sind Carolyn McBride und ihre Mitautoren vorgegangen? Sie haben sich zunächst ein geeignetes Modellsystem gesucht, und zwar eine u.a. in Kenia beheimatete Mückenart (Aedes aegypti), für die es eine Wild- und eine Haus-Variante gibt. Beide Varianten, H und W, sind untereinander paarungsfähig (das wird noch wichtig) aber unterscheiden sich leicht morphologisch (H=brauner Körper, W=schwarzer Körper) und im bevorzugten Lebensraum. Die Hypothese war nun, dass H bevorzugt Menschen und W bevorzugt Tiere stechen und diese Präferenz auf genetische Unterschiede zurückführbar ist. Etwa 10 verschiedene H und 20 verschiedene W Stämme wurden vor Ort gesammelt und dann im Labor untersucht. Wie macht man das? Glaskasten mit Mücken eines Stammes nehmen, Tier rein (z.B. Meerschweinchen), Hand rein (wär nichts für mich) und dann zählen, wer wie oft gestochen wird. Diesen Wert kann man normieren zwischen -1 (nur Meerschweinchen gestochen) und +1 (nur Mensch gestochen)– das heißt dann Präferenz-Index, wobei 0 bedeutet, dass es den Mücken egal ist wo sie ihr Blut herkriegen. Im Ergebnis konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die Annahme stimmt: H sticht signifikant eher Menschen und W bevorzugt Meerschweinchen.
Jetzt ging die Arbeit aber erst richtig los! Um mögliche kausale Gene zu finden wurden ein H und ein W Stamm gekreuzt (vermehrt) und die ca.2500 Nachkommen ebenfalls hinsichtlich ihrer Präferenz untersucht. Die Ergebnisse wurden dann mit Genexpressionsdaten von 959 Antennen-Genen verglichen. Genexpression misst, wie viele Kopien von einem Gen abgelesen werden, also wie aktiv bzw. wichtig dieses Gen ist. Gene, die in den beiden Präferenz-Gruppen unterschiedlich wichtig sind, könnten nämlich kausal (ursächlich) für diesen Unterschied sein. Als Antennen bezeichnet man bei Insekten die Fühler. Unter den auffälligen Genen waren u.a. zwei der OR Gen-Familie (OR=Odorant receptor=Geruchs Rezeptor), mehr als man statistisch erwarten würde und hinsichtlich ihrer Funktion plausible Kandidaten, um eine Wirts-Präferenz funktional zu begründen. Mit diesen hat Carolyn dann weitergearbeitet und z.B. einen der beiden, OR4, in Drosophila (Fruchtfliege) exprimiert. Drosophila wurde daraufhin in Tests von Humangeruch angezogen, nicht aber von Meerschweinchen. Die entscheidende chemische Komponente, die OR4 wahrnimmt ist Sulcaton, ein Bestandteil menschlichen Körpergeruchs.
So weit so gut. Jetzt müssen wir nur noch OR4 in Mücken ausschalten und dann stechen diese keine Menschen mehr, oder? Leider nein. In der modernen Wissenschaft ist es immer komplizierter, als gehofft. Die Wissenschaftler hatten nämlich u.a. auch getestet, ob Sulcaton, wenn man es Meerschweinchen-Geruch hinzufügt, die Präferenz von H Mücken beeinflusst – mit negativem Ergebnis. Außerdem gibt es andere Veröffentlichungen, die Sulcaton als möglichen Zusatz in Repellents (Anti-Mücken-Mittel) beschreiben. Letzteres könnte eine Frage der Konzentration sein: viel Sulcaton vertreibt vielleicht Mücken, während eine moderate Menge sie anzieht. Es bleibt also trotz all der Arbeit noch viel zu tun. Und es werden im Dienste der Forschung wohl noch viele Hände gestochen werden.
0 comments on “Aus der Wissenschaft”Add yours →